Die Bertha-von-Suttner-Schule im Spiegel der Presse

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Donnerstag, 10.02.2011

Hat wenig mit der Realität zu tun

Diskussion über Werbung der Bundeswehr und ihren Besuch in der Suttner-Schule

Soll das deutsche Militär an der Bertha-von-Suttner-Schule genauso behandelt werden wie die Handwerkskammer? Hier mangelt es an Rekruten, dort an Auszubildenden, und beide Institutionen nehmen viel Geld in die Hand, um junge Menschen zu gewinnen. Die Schule ist eine beliebte Werbeplattform, wo sich die Bundeswehr gerne präsentiert. So auch bei der jüngsten Berufsbörse in der Suttner-Schule.

CHRISTINE BUCHHOLZ, Bundestagsabgeordnete und friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, warnte im Bürgerhaus vor einer Militarisierung
der Gesellschaft, links im Bild der DKP-Fraktionsvorsitzende Gerd Schulmeyer.
Foto: seb


"Die Werbung der Bundeswehr hat wenig mit der Realität zu tun", kritisierte Christine Buchholz, Bundestagsabgeordnete und friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke. Auf Einladung von DKP und Linke Liste sprach sie am Donnerstagabend im Bürgerhaus zum Thema Militär an den Schulen und berichtete von ihrer letzten Reise nach Afghanistan.

Während die Bundeswehr mit humanitärer Hilfe, der Durchsetzung von Frauenrechten, schweren Panzern, Maschinengewehren und interessanten Begegnungen werbe, habe der Alltag eines Soldaten wenig von einem Abenteuerurlaub. Die Angst säße den Soldaten ständig im Nacken, und vom versprochenen Wiederaufbau sei in Afghanistan nichts zu sehen.

"Humanitäre Hilfe funktioniert nur, wenn kein Militär vor Ort ist. Sonst werden die Helfer mit einer feindlichen Seite in Verbindung gebracht und können nicht sicher arbeiten", berichtete Buchholz von ihren Erfahrungen aus Afghanistan. Bei der Anwerbung von Soldaten stehe stets eine militärische Konflikt- und Problemlösung im Fokus. Neben Informationsständen auf Berufsbörsen würden in Schulen auch eigens für den Unterricht konzipierte Materialien eingesetzt. Darüber hinaus gingen sprachlich geschickte und bestens geschulte Jugendoffiziere mit in den Unterricht. Auch Einladungen und Übernachtungen in Kasernen während eines militärischen Planspiels seien keine Seltenheit.

Erfolg mit ihrer Anwerbung habe die Bundeswehr besonders in Ostdeutschland, wo eine hohe Jugendarbeitslosigkeit und mangelnde Perspektiven den Gang zum Militär begünstigen würden.

Es überrascht nicht, dass Christine Buchholz Besuche des Militärs an Schulen ablehnt und Angst davor hat, dass es in Deutschland bald nicht mehr anders sein wird als in den USA. Dort würde besonders an Schulen um neue Rekruten geworben, und die Anwerbung habe sich zu einem eigenen Industriezweig entwickelt. Nach der Abschaffung des Wehrdienstes sei zu erwarten, dass sich die Bundeswehr in Deutschland noch stärker um den Nachwuchs bemühen werde.

Zustimmung bekam Buchholz von Bernd Heyl, dem Kreisvorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Er wies daraufhin, dass das Militär in einer "schwierigen psychischen Entwicklungsphase" auf die Jugendlichen zugehe. Besonders Jungs seien in der Pubertät anfällig für autoritäre Strukturen und gewalttätige Lösungsansätze. Dass Jugendoffiziere in Klassen eingeladen werden und sich dort in den Unterricht einbringen, lehnt Heyl strikt ab. "Die politische Bildung gehört in die Hände gut ausgebildeter Lehrer und nicht in die von Jugendoffizieren".

Dass 13-jährige Schüler nicht für das Militär begeistert werden sollen, steht auch für Gerd Schulmeyer, den Fraktionsvorsitzenden der DKP, außer Frage. Zu der Diskussionsrunde im Bürgerhaus hatte er auch die Schülervertretung, den Schulelternbeirat und die Schulleitung der Bertha-von-Suttner-Schule eingeladen.

Gekommen waren aber nur drei Mitglieder der Schülervertretung. "Ich denke, man muss beide Seiten hören, um sich eine eigene Meinung bilden zu können", erklärte Larissa Schulmeyer aus der Jahrgangsstufe 13. Von dem Jugendoffizier in ihrer Klasse habe sie sich nicht direkt angeworben gefühlt. Ein Problem sei, dass teilweise kein gutes Unterrichtsmaterial vorhanden sei, weshalb in diesen Fällen auf die Unterlagen der Bundeswehr zurückgegriffen werde.

Zwar sei es gut, sich beide Seiten anzuhören, allerdings gebe es dabei bereits ein Problem, erwiderte Christine Buchholz. Zwar dürfe das Militär kommen und informieren, die Gegenseite habe es da aber schwieriger. Eine große Organisation, die an Schulen für friedliche Konfliktlösungen werbe, gebe es nicht. "Es ist einfach ein Ungleichgewicht vorhanden."

Bericht: seb

Quelle: Freitagsanzeiger vom 10.02.2011